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Berlin: Verschärfung des Kampfes gegen illegales Glücksspiel
In seiner Sitzung am 17. Oktober 2023 hat der Berliner Senat zum Modellprojekt „Vermögensabschöpfung bei Ordnungswidrigkeiten“ beraten. Mit dem Pilotprojekt, vorgelegt von der Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, Dr. Felor Badenberg, soll verstärkt gegen Organisierte Kriminalität vorgegangen werden. Statt nur Bußgelder zu verhängen, sollen die Ordnungsämter die durch illegales Glücksspiel, Schwarzarbeit oder Prostitution erwirtschafteten Gewinne gänzlich einziehen können.
Dort ansetzen, wo es weh tut
Mit dieser Maßnahme wolle der Senat „die finanziellen Strukturen“ krimineller Clans austrocknen. Die Grundlage dafür stellt eine Gesetzesnovelle aus dem Jahre 2017 dar. Demnach steht die Abschöpfung von illegalem Vermögen auf rechtlich stabilem Boden.
Badenberg kommentiert:
„Das Projekt der Vermögensabschöpfung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und soll dazu beitragen, Berlin für Kriminelle unattraktiv zu machen. Wir leisten Pionierarbeit und schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir schwächen die Organisierte Kriminalität und ziehen dadurch zugleich Gelder ein, die an vielen wichtigen anderen Stellen zum Wohle unserer Stadt verwendet werden können.“
So könne zudem deutlich mehr Geld abgeschöpft werden. Der Unterschied zur Verhängung von Bußgeldern ist gewaltig. Während beim Bußgeld das sogenannte „Netto-Prinzip“ gilt und der Täter bislang eigene Ausgaben wie Miete, Strom und Anschaffungskosten der Spielgeräte geltend machen kann, ist dies bei der Vermögensabschöpfung durch einen Einziehungsbescheid nicht möglich.
Anhand eines Rechenbeispiels erklärt Badenberg das Prinzip. Wenn jemand mit zwei illegalen Spielautomaten einen Umsatz von 9.200 € erziele und Anschaffungs- und Mietkosten geltend machen könne, liege die Höhe des Bußgelds bei 5.400 €. Bei einem Einziehungsbescheid könne der gesamte Umsatz eingezogen werden.
Bislang hätten Bußgeldbescheide die Veranstalter illegalen Glücksspiels kaum gestört, ließen Mitarbeiter der Behörden der Presse gegenüber verlauten. Am Ende kämen dabei nur wenige hundert Euro Strafe heraus.
Ein Mitarbeiter, der sich mit derartigen Fällen befasst, kommentiert:
„Über 200 Euro lachen sich Clan-Kriminelle doch kaputt.“
Ausgebremst wegen fehlender rechtlicher Expertise und Personalnot
Badenberg erklärt, dass im Jahre 2022 Einziehungsbescheide in Höhe von 91 Mio. € ausgestellt worden seien. Allerdings habe man nur 6,5 Mio. € einziehen können. Dies liege daran, dass illegal erwirtschaftete Gelder häufig beiseite geschafft würden. Die Justiz hoffe nun, einen Großteil des Geldes sicherstellen zu können, indem die Ordnungsämter das Vermögen sofort einziehen.
Die Möglichkeit, Einziehungsbescheide auszustellen, sei allerdings bis dato kaum genutzt worden. Dies liege sowohl an fehlender rechtlicher Expertise als auch an fehlendem Personal. Es handele sich dabei um sehr komplexe Verfahren. Doch das Prozedere soll nun erleichtert werden.
Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat einen umfassenden Leitfaden erstellt. Dieser soll den Ordnungsämtern die Erstellung der Einziehungsbescheide erheblich erleichtern.
Zudem sollen die Ordnungsämtern der Bezirke und die zuständigen Anklagebehörden eng zusammenarbeiten, um dafür Sorge zu tragen, dass unnötige Verfahrenseinstellungen vermieden würden.
So würden von der Justizverwaltung, Amts- und Staatsanwaltschaft Musterbescheide zur Verfügung gestellt. Die Anklagebehörden würden den Ordnungsämtern außerdem „per kurzem Draht“ Rückfragen ad hoc beantworten können.
Fast alle Berliner Bezirke sind mit im Boot
Von den zwölf Berliner Bezirken haben sich zehn für eine Zusammenarbeit ausgesprochen. Die Bezirksbürgermeisterin von Pankow, Cordelia Koch von den Grünen, fand positive Worte für das Projekt. Dies sei ein weiterer Ansatz zur nachhaltigen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.
Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln, bezeichnet die initiative als „wichtiges Signal“ und erklärt, dass sich Kriminalität nicht mehr lohne. Emine Demirbüken-Wegner (CDU), Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, kommentiert:
„Mit Recht erwarten die Berliner, dass die Politik und die Ermittlungsbehörden konsequenter gegen Organisierte Kriminalität und Clankriminalität vorgehen.“
Nur die von den Grünen geführten Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf sprachen sich vorerst gegen das Vorhaben aus. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Einen offiziellen Starttermin hat der Senat noch nicht bekanntgegeben. Es stehe den Ordnungsämtern jedoch frei, bereits jetzt Einziehungsverfahren in den Bereichen illegale Spielautomaten, illegale Prostitution, Schwarzarbeit und Verstöße gegen die Ladenöffnungsregeln einzuleiten. Nach Evaluation des Modellprojekts sei eine Ausweitung auf andere Tatbestände vorgesehen, erklärt die Justizsenatorin.