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Das illegale Glücksspiel in Deutschland scheint sich aktuell immer mehr zu verbreiten. Darauf weist ein kürzlich veröffentlichter Spiegel-Artikel mit dem Titel „Das Millionengeschäft mit Deutschlands heimlichen Spielhöllen“ hin. Für die Vertreter des lizenzierten Automatenspiels ist dies ein Alarmsignal, das die Branche vor große Herausforderungen stellen dürfte.
Befeuern die strengen Glücksspielgesetze den Schwarzmarkt?
Rund 6.000 Entwickler, Händler und Automatenaufsteller konkurrieren um Kunden im regulierten deutschen Glücksspielmarkt. Auch die Finanzämter profitieren von dem Milliardengeschäft.
Gleichzeitig hat der Gesetzgeber restriktive Vorgaben erlassen, um Kriminalität zu bekämpfen sowie einen soliden Spieler- und Jugendschutz zu gewährleisten. Doch damit habe der Gesetzgeber auch die Schattenwirtschaft gefördert. Experten sollen dies als „Prohibitionsdilemma“ bezeichnet haben.
Ein harter Schlag für die legale Branche sei die Verschärfung der Gesetzgebung im Jahre 2018 gewesen. Demnach müssen Spielhallen-Betreiber folgende Vorgaben strikt einhalten:
- Jeder Spieler muss sich vom Personal nach Überprüfung der OASIS-Sperrdatei freischalten lassen
- Paralleles Spiel an mehreren Geräten ist untersagt
- Die Spieldauer ist streng eingeschränkt
- Einsätze, Verluste und Gewinne sind stark begrenzt
- Nur zwölf Geräte pro Spielhalle sind erlaubt
- Spielhallen müssen die Abstandsregel von 500 Metern einhalten
Wegen dieser Einschränkungen würden zahlreiche Kunden es vorziehen, woanders zu spielen, erklärte Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft. Zudem sinke die Zahl legaler Spielhallen ständig. Innerhalb weniger Jahre sei die Anzahl von rund 250.000 auf etwa 180.000 Spielstätten gesunken.
„Der legale Markt steht in einem harten Wettbewerb mit einem wachsenden illegalen Markt. Es gilt, das legale Angebot zu stärken, um den Schwarzmarkt auszutrocknen.“
Kampf gegen Windmühlen: Millionengeschäfte in illegalen Spielhöllen
Indes scheint das Ausmaß der Verbreitung des Schwarzmarkts kaum überschaubar. So seien illegale Glücksspielstätten als Bistros, Shisha-Bars oder Cafés getarnt, in denen laut Spiegel bis zu 50.000 nicht registrierte Geräte, sogenannte „Fun-Games“, aufgestellt seien. Staatlichen Behörden zufolge generiere jedes illegale Gerät monatlich fünfstellige Umsätze.
Alexander Kringe, Kriminalhauptkommissar der Kölner Polizei und einer der führenden Ermittler bei der Bekämpfung illegalen Glückspiels, kommentiert:
„Wir gehen von rund 5.000 bis 10.000 Euro Monatsumsatz pro Gerät aus, bundesweit also 250 bis 500 Millionen Euro.“
Genaue Daten seien nur schwer zu ermitteln. Kringe gehe von einem jährlichen Gesamtbetrag von drei bis sechs Milliarden Euro aus, die an den Finanzbehörden vorbeigeschafft würden. Zudem sei Glücksspiel ein Kontrolldelikt. Nur mit gut geschulten Polizisten könne das Dunkelfeld effektiv und dauerhaft aufgehellt werden.
Dass das illegale Geschäft mit dem Glücksspiel einen so großen Boom erlebe, sei unter anderem den Restriktionen während der Corona-Pandemie geschuldet. Während legale Spielhallen hätten schließen müssen, habe sich das illegale Spiel besonders stark entwickeln können.
Häufig werde dies in Privatwohnungen veranstaltet, zu denen die Ordnungsämter keinen Zugang hätten. Doch damit dies entdeckt und verfolgt werden könne, müsse zunächst jemand Anzeige erstatten, erklärte Tim Hilbert, Justiziar des Automaten-Verbands Baden-Württemberg und des Automaten-Verbands Rheinland-Pfalz.
Nicht regulierte Spielgeräte: Venusfalle für Problemspieler
Illegale Geräte sind zunächst kaum von lizenzierten Automaten zu unterscheiden. Erst das Fehlen der Prüfplakette der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) weist auf ein offiziell zugelassenes Spielgerät hin.
Laut dem Spiegel-Bericht stammten allerdings zahlreiche Geräte aus Altbeständen, die noch alte Prüfplaketten trügen. Die Geräte würden dann von Unternehmen in Osteuropa aufgekauft und mit illegaler Software bespielt. Die so aufgerüsteten Spielautomaten würden anschließend auf Handelsplattformen wie eBay verkauft.
Hilbert erklärt:
„Diese Geräte kosten im Einkauf 800 bis 1.800 Euro und rentieren sich binnen Tagen. […] Beliebt sind vor allem Tischgeräte, die nicht fest installiert sind und keine strikt begrenzte Auszahlungsfunktion haben wie normale Automaten. Wer etwas gewinnt, geht zur Bar und lässt sich seinen Gewinn dort auszahlen. Der Betreiber löscht dann den Chip im Spielgerät, damit nicht nachzuweisen ist, dass es sich um illegale Software handelt.“
Was für die Betreiber ein lukratives Geschäft ist, dürfte für die Spieler fatale Folgen nach sich ziehen. In besagten Etablissements gibt es weder Spielerschutzmaßnahmen wie den Abgleich mit der Sperrdatei noch werden die Automaten auf manipulierte Software überprüft.
Hoher Leidensdruck der Branche: Legale Betreiber heuern Privatermittler an
Um sich einen Überblick verschaffen, hätten legale Glücksspielbetreiber einen Privatermittler engagiert, der in der Welt des illegalen Spiels Recherchen anstellen solle. Dieser habe einschlägige Hotspots illegalen Spiels im Fokus, die als unscheinbare Gaststätten getarnt seien.
Der Ermittler bietet einen Einblick in seine Erkenntnisse:
„Nachts und an den Wochenenden stehen hier mobile Tischspielgeräte, an denen mit unerlaubt hohen Einsätzen gespielt wird. Und die kann man notfalls schnell wieder verschwinden lassen, wenn das Ordnungsamt auftaucht.“
Entsprechende Hinweise erhalte der Detektiv unter anderem über Meldeportale, die von den regulären Betreibern eingerichtet worden seien. Sollte sich der Anfangsverdacht bestätigen, werde über einen Anwalt das Ordnungsamt eingeschaltet.
Überforderter Staat machtlos gegen illegales Glücksspiel?
Die Ämter seien heillos überfordert und die Justiz sei unterbesetzt, erklärt Hilbert. Häufig würden Verfahren eingestellt. Dazu sagt Kommissar Kringe, dass diese Hilflosigkeit des Staates die internationale Kriminalität stärke.
„Illegales Automatenglücksspiel ist immer organisiert, dahinter stecken meist ausländische Clans.“
Zumindest im Bundesland Nordrhein-Westfalen scheinen erste Erfolge bei der Bekämpfung der Clankriminalität sichtbar zu werden. Angeführt von Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) wird härter gegen kriminelle Großfamilien vorgegangen. Ermittlern zufolge sei auch das illegale Automatenspiel Teil ihrer Einnahmequellen. Ob das Problem effizient bekämpft werden kann, wird sich zeigen.